Im Jahr 1984 gewann Marianne Martin die erste Tour de France Feminin (wie die Veranstaltung damals genannt wurde). In diesem Jahr kehrte sie zurück, um sich das Rennen anzusehen, für das sie 38 Jahre zuvor den Weg geebnet hatte. Die Tour de France Femmes sieht jetzt vielleicht etwas anders aus, aber hinter den blank geputzten Begleitfahrzeugen und den bunten Trikots bleibt die Essenz dessen, wofür Marianne gekämpft hat, erhalten: dass Frauen die Tour de France fahren können und es auch werden.
„Die Franzosen haben damals nicht geglaubt, dass wir es bis ins Ziel schaffen würden, aber genau das haben wir für die Frauen von heute getan: Wir haben bewiesen, dass wir die Ziellinie erreichen können und dass wir es drauf haben. Damals haben wir 18 Etappen absolviert [im Gegensatz zu den acht in diesem Jahr], und ich glaube, das hat allen klargemacht, dass den Frauen schon nicht die Gebärmutter rausfällt, wenn sie solche Strecken zurücklegen.“
„Ich habe die Frauen beim Coors Classic in Colorado gesehen; sie sahen so fit und stark aus, dass ich dachte: Das will ich auch machen. Und wenn ich es nicht angesehen hätte, weiß ich nicht, ob ich mich überhaupt für den Rennsport interessiert hätte. Als ich in diesem Jahr das Frauenrennen sah, verspürte ich den Drang, das Ganze noch einmal zu wagen. Und genau das trägt dazu bei, dass der Sport wächst – wenn Frauen sehen, dass andere Frauen es auch schaffen.“
„Die Begeisterung und Faszination, die der Frauenrennsport jetzt auslöst, ist überwältigend“, so Marianne. „Das war bei uns überhaupt nicht der Fall. Das Interesse war durchaus da und die Fans standen hinter uns, aber es gab einfach keinerlei Berichterstattung in den Medien. Es fühlte sich an, als ob wir kurz davor gewesen wären, dass endlich etwas passiert, aber stattdessen hörte es einfach auf.“


Die letzte Tour de France der Frauen fand 1989 statt, bevor sie aus Kostengründen eingestellt wurde; das Rennen der Männer überstand dagegen das Ausbleiben von Sponsoren, Pannen und zahlreiche Skandale. Man begegnete dem Frauenrennen von Anfang an mit Zurückhaltung, und es fehlte stets an finanzieller Unterstützung, aber an der Leidenschaft der Radsportlerinnen für den Rennsport hat es nie gemangelt.
„Mein Vater war nicht gerade begeistert davon, dass ich mit dem Rennsport anfing“, verrät uns Marianne. „Zu meinem Abschluss erzählte ich ihm, dass ich in den Radsport einsteigen wollte – also kaufte er mir eine Kamera. Ich habe die Ausgaben für das Rennen über meine Kreditkarte laufen lassen, weil ich es mir zu dem Zeitpunkt sonst nicht leisten konnte. Ich wusste, dass ich damals den passenden Körper und die nötige Fitness hatte, und dass ich mich später um das Geld kümmern konnte.“
„Wir hatten keine technischen Hilfsmittel wie Pulsmesser, aber ich kannte meinen Körper in- und auswendig, sodass ich wusste, wann ich ihn fordern konnte und wann ich mich ausruhen musste. In der ersten Hälfte des Rennens hatten wir auch keinen Mechaniker und keine Gänge, die leichter waren als das 19er. Aber wir haben es geschafft. Wir waren so aufgeregt, dabei zu sein. Es war chaotisch, aber auf die bestmögliche Art und Weise. Morgens füllten wir unsere Bidons mit Espresso und tranken sie im letzten Drittel des Rennens – das war unsere Wissenschaft.“
„Ich würde mir wünschen, dass der Sport weiter wächst“, betont Marianne. „Ich möchte mehr Frauen auf der Straße sehen, und der Tour nach zu urteilen, wird das auch so kommen. Ich glaube nicht, dass es 18 Etappen braucht, um genauso bedeutend zu sein. Ich würde lieber kürzere Etappen und dafür mehr Unterstützung sehen.“