Panache 2023
Eine Hommage an die schönsten & bedeutendsten Momente des Radsports des Jahres 2023
26 December 2023
Panache – ein Bergriff, der nicht gerade geläufig ist. Aber bei Rapha schon.
Abgeleitet vom lateinischen Wort „pinnaculum“, was soviel wie kleiner Flügel oder Spitze bedeutet (daher auch das englische Wort „pinnacle“), steht das Substantiv „panache“ ursprünglich für einen Federbusch in Kopfbedeckungen des Adels – ein altes Symbol der Ehre, der Stärke und des Mutes.
Panache: ein Begriff, der den Mut und die Leidenschaft im Radsport beschreibt; kein vorgefasster taktischer Plan, sondern der Instinkt, das Rennen mit Cleverness und Schneid zu fahren – und über alle Grenzen hinaus. Und genau das verleiht dem Radsport seine einzigartige Schönheit: das Aufblitzen von Genialität und das unermüdliche Pedalieren allen Widrigkeiten zum Trotz, um Großes zu erreichen – koste es, was es wolle.
Aus diesem Grund präsentieren wir hier unsere alljährliche Hommage an die unvergesslichen Momente voller eindrucksvoller Geniestreiche, Mut und Scharfsinn, die Panache im größten Sport der Welt ausmachen.
1. Das perfekte Finale | Alison Jackson bei Paris–Roubaix
„Radrennen sind hart. Und bisher habe ich immer nur von sowas geträumt.“
Als Pilotin des Pavé bewies Alison Jackson viel Nervenstärke, Geduld und nicht zuletzt unglaublich starke Beine, um sich den Sieg beim bedeutendsten Eintagesrennen der Welt zu sichern. Und das in der wohl dramatischsten und mitreißendsten Art und Weise, die man sich vorstellen kann. Fast im Alleingang führte Jackson die Ausreißerinnen ins Velodrom von Roubaix und forcierte dabei das Tempo, damit sie nicht noch auf den letzten Metern vom Hauptfeld eingeholt werden konnten. Anschließend positionierte sich „Tracko Jacko“ optimal und überholte in der letzten Kurve Marion Borras, um mit nur einer Radlänge Vorsprung die Ziellinie zu überqueren und als erste Kanadierin die heilige Kopfsteinpflaster-Trophäe zu gewinnen.
„Wir werden noch sowas von abtanzen!“
Die Reaktion von ihr und dem Team unmittelbar danach auf der Bahn muss man einfach gesehen haben. Und wir können es uns nicht verkneifen zu sagen: kein Wunder, dass sie die besten Beine hatte, wenn man bedenkt, welches Outfit sie trug. Die Pro Team Knee Warmers und Arm Warmers könnten ihr einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Konkurrentinnen in kurz-kurz verschafft haben. Sagen wir mal, es liegt an ihrer Erfahrung, am Timing und möglicherweise auch am Outfit-Sponsor…
2. Irland im Glück | Ben Healy bei Lüttich-Bastogne-Lüttich
„Ich probierte es einfach alleine und habe es dann bis zur Ziellinie durchgezogen.“
Wir können direkt zu einem weiteren Highlight von EF Pro Cycling bei den Klassikern übergehen: dem glorreichen Auftritt von Ben Healy beim knüppelharten Rennen Lüttich-Bastogne-Lüttich. Der Ire sicherte sich den vierten Platz bei dem knapp 260 Kilometer langen Rennen im Süden Belgiens, indem er Remco „Aerobullet“ Evenepoel auf den letzten 30 Kilometern mit einem gewaltigen Kraftakt auf die Pelle rückte. Und auch wenn er das Podium knapp verpasste, unterstrich dieser Auftritt doch die ganze Klasse des 22-Jährigen. Healy war gerade einmal zwölf Jahre alt, als sein Landsmann Dan Martin das altehrwürdige Rennen gewann – und wir hoffen, dass er ihm in nicht allzu ferner Zukunft nacheifern wird.
„Ich habe einfach Spaß an Rennen und einer aggressiven Fahrweise. Auf der Jagd nach Etappen bin ich ganz in meinem Element.“
Aber natürlich darf auch Healys spektakulärer Etappensieg beim Giro nicht unerwähnt bleiben: Am Capuccini-Anstieg im Apennin setzte er zum Angriff an und fuhr 50 km allein zu einem historischen Sieg im Herzen Italiens. Was wir zu seinem Outfit zu sagen haben, ist auch klar – ein modifizierter Zeitfahranzug, der in einer überarbeiteten Version schon bald noch mehr Radsportlerinnen und Radsportlern wertvolle Sekunden bescheren sollte.
3. Die Glückszahl 13 | Jackson Goldstones Heimspiel in Quebec
„Oh mein Gott, was für ein Tag! Ich habe einfach alles gegeben, bis mein Tank komplett leer war.“
Ein weiterer bemerkenswerter Kanadier begibt sich auf unbekanntes Terrain – diesmal mit Vollgas und Vollfederung. Der junge Mann aus Whistler, Jackson Goldstone, hatte ein verrücktes Debütjahr als Elite-Fahrer und war der einzige Athlet, der gleich zwei Weltcup-Wettbewerbe gewann. Und dieses letzte Rennen der Saison in Mont-Sainte-Anne, Quebec, war ein wahrhaft großartiger Abschluss für sein Jahr. Mit der Nummer 13 am Rad und auf dem Rücken versetzte der 19-Jährige das heimische Publikum mit einem fulminanten Finallauf in einen wahren Rausch. Ohne einen Funken Angst, dafür aber mit umso mehr Geschick holte sich der kleine Downhill-Dämon den Sieg und wurde von seinen Freunden und Fans gebührend gefeiert.
4. Von der Spitzen-Uni zum Spitzensport | Kristen Faulkner glänzt in Europa
„Letztes Jahr beim Giro war ich die ganze Zeit hinten im Feld, deshalb ist dieses Jahr etwas ganz Besonderes.“
Noch vor vier Jahren war Kristen Faulkner für eine Risikokapitalgesellschaft tätig. 2023 gewann sie dann das Bergtrikot sowie zwei Etappen des Giro Donne. Die studierte Informatikerin der Harvard University verliebte sich im Alter von 23 Jahren in den Radsport. Nachdem sie vor Kurzem das Elite-Zeitfahren bei den Panamerikanischen Spielen in Santiago, Chile, gewonnen hat, ist es ihr Ziel, 2024 an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Faulkners Leistung bei Strade Bianche – wo sie als Dritte auf dem Podium stand – hat ihr Talent nochmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Übrigens: Vor Kurzem hat sie bei EF Pro Cycling unterschrieben. Wir freuen uns sehr!
5. Die kosmische Kasia | Kasia Niewiadoma bei der Gravel-WM
„Es ist so schön! Mir fehlen wirklich die Worte. Das ist mein allererstes Regenbogen-Trikot. Und ich bin einfach so glücklich!“
Seit 2019 hatte Kasia Niewiadoma kein Rennen gewonnen, doch 2023 stand die Polin plötzlich wieder sieben Mal auf dem Podium. Das vielleicht beeindruckendste Ergebnis war ihr Sieg bei der UCI Gravel-WM in Italien. Schon nach 20 Kilometern ging Kasia in die Offensive, bewies ihr Können und sicherte sich in der goldenen Herbstsonne einen souveränen Sieg.
6. Code Rojo | Sepp Kuss gewinnt in Spanien
„Ich hätte nie daran gedacht, einmal in dieser Position zu sein, und das ist das Schöne daran.“
Auf den glühenden Straßen Spaniens schaffte Sepp Kuss aus Durango, Colorado, im September dieses Jahres etwas, das seinen Landsleuten Lance Armstrong und Greg LeMond verwehrt blieb: Er gewann die Vuelta a España. Apropos LeMond: Das teaminterne Duell zwischen Kuss und seinen Jumbo-Visma-Kollegen erinnerte stark an die Tour '86, als sich der Amerikaner mit seinem eigenen Teamkapitän Bernard Hinault ein spannendes Duell lieferte. Als Kuss in die Pedale trat, nahmen Roglič und Vingegaard mit einer Reihe weiterer WorldTour-Wunderkinder die Verfolgung auf. Mit Mut und mentaler Stärke krönte er seine Leistung auf der 17. Etappe, wo er die Führung verteidigte, obwohl er sowohl von Roglič als auch von Vingegaard abgehängt wurde. Auf den letzten Kilometern des zermürbenden Angliru bewahrte Kuss die Ruhe und behauptete sich an der Spitze des Gesamtklassements.
7. Bruder Courage | Lachlan Mortons Tour Divide
Lachlan Mortons einsame Streifzüge über die Kontinente haben sich zu einer Art Kunstform entwickelt, die dem Begriff Panache eine besondere Note verleiht.
„In diesen Momenten wird mir bewusst, wie nahe ich an meinem mentalen Limit lebe und wie viel Spaß es mir macht, dort zu sein.“
Dieser Mann, der die Grenzen dessen neu definiert, was ein Radprofi sich antun kann und will, lotet damit die bisher unerreichten Dimensionen des Ausdauersports aus. Die Tour Divide, welche quer durch die USA führt, verleiht dem Pioniergeist des Bikepacking eine solche Intensität, dass man schon einen Hungerast bekommt, wenn man nur darüber nachdenkt.
Den demnächst erscheinenden Dokumentarfilm, in dem dieses Abenteuer festgehalten wird und bei dem Gus Morton, Lachlans großer Bruder, Regie führte, sollte man sich nicht entgehen lassen, denn er gibt einen großartigen Einblick in den Wahnsinn der Kilometersucht eines Mannes, der an seine Grenzen und darüber hinaus geht.
8. L39ION of Love | Sam Boardman beim Tulsa Tough
„Ich versuche, ein so kompletter Mensch wie möglich zu sein, denn ich glaube, dass es letztendlich ein Sport von Individuen ist.“
Sam Boardmans Sieg am Cry Baby Hill bei Tulsa Tough in diesem Jahr war ein wichtiger Erfolg für den großherzigen Helden des US-Pelotons. Der talentierte Fahrer, der sich immer wieder selbstlos dafür aufgeopfert hat, seine Teamkollegen als Erste über die Ziellinie zu bringen, setzte sich im entscheidenden Moment ab und sicherte sich seinen Sieg. Die Crit-Fans überschlugen sich regelrecht in ihrer Begeisterung für den allseits geschätzten Boardman. Es war ein wirklich emotionaler Sieg.
9. Bahnbrechende Performance | Keegan Swenson bricht den Rekord beim Leadville 100
„Dieses Jahr bin ich keine Kompromisse eingegangen. Ich wollte alles geben und mir den Sieg holen.“
Beim wohl härtesten Mountainbike-Rennen der Welt knackte Keegan Swenson den Streckenrekord, als er sich aus einer 13-köpfigen Gruppe löste und im Alleingang mit 25 Minuten Vorsprung vor seinen engsten Verfolgern souverän zum Sieg fuhr. Einfach bewundernswert.