Stell dich der Hitze

Vor jeder großen Tour steht eine Vision – ein Gefühl, das in einem entsteht oder eine Reaktion auf eine Situation von außen. Nur selten wird die Vision so zur Realität, wie man sie sich vorgestellt hat. Wenn die Tour losgeht, bekommt sie ein Eigenleben; wird fluide. Und könnte man die vollständige Reise vom Ende her betrachten, wäre sie kein Abenteuer mehr. Das ist eine Lektion, die wir immer wieder gerne lernen: Die schönsten Touren erlebst du, wenn du den Dingen ihren Lauf lässt und abwartest, was auf dich zukommt.

Am Anfang stand die Mission, unsere Radbekleidung für extrem heißes Wetter einem ultimativen Test zu unterziehen – bei einer Durchquerung der Mojave-Wüste an einem Tag. Die karge, windumtoste Einöde erstreckt sich zwischen LA und Las Vegas. Wer in diese Wüste vordringt, fühlt sich fernab von der Zivilisation.

Die Frage war nur: Wer war für diese Mission geeignet?

Für unsere „Vision Wüste“ brauchten wir zwei Fahrerinnen oder Fahrer, die es liebten, bei Hitze zu fahren. Ein Duo, das nur so darauf brennen würde, durch eine der heißesten, unwirtlichsten Landschaften der USA zu heizen. 

Da erschien plötzliche Andrew Jackson aus Los Angeles in unserer Vision. Andrew hat seinen ganz eigenen Stil und eine einzigartige Herangehensweise an den Radsport. Wer mit ihm unterwegs ist, fühlt sich durch seine Persönlichkeit beflügelt – und an einem schweren Tag auf dem Rad, noch dazu in der Wüste, ist das ein hilfreicher Charakterzug. 

Wir sandten ein Signal aus.

„Lasst es uns durchziehen“, war seine Antwort.

Doch wir brauchten noch jemanden. Wir gingen unser Netzwerk durch und kamen schnell zu dem Schluss, dass nicht alle unsere Vision teilten. „An einem Tag quer durch die Mojave“ stand für die meisten nicht gerade ganz oben.

Monate vergingen. Und noch immer standen wir mit einer leeren Hand da. Terminschwierigkeiten, Lebenspläne, Rennkalender. Langsam schien unsere Vision zu verblassen.

Dann flog Andrew zu einem Photoshooting auf die Philippinen. Bei seiner Ankunft wurde er von einer lebendigen Radsport-Community empfangen, von extremer Hitze und 100 % Luftfeuchtigkeit. Und er lernte Muzcali kennen. Muzcali lebt in Bangkok und verkörpert auf dem Rad ebenso Kraft wie Eleganz. Sie hat eine mitreißende Persönlichkeit, fährt leidenschaftlich gerne Rad und liebt es, ihre Grenzen auszutesten. In Andrews Vision formte sich ein Bild. Dann fragte er sie. 

„Lass es uns machen“, war ihre Antwort.

Zu diesem Zeitpunkt blieben uns nur noch knapp drei Wochen, um unsere Vision Realität werden zu lassen. Also machten wir uns an die Arbeit. Telefongespräche, Buchungen, Filmteams, ein Visum auf den letzten Drücker. Die Sache nahm Form an, wurde lebendig.

Die Strecke hatte es uns angetan: Vor unserem Team lagen einsame Asphaltstraßen und raue Schotterwege quer durchs Mojave-Naturschutzgebiet. Eine einzigartige, anregende Strecke für unsere Fahrer. Ein visionärer Test im Grenzbereich.

Dumm nur, dass wir die Paarungszeit der Wüstenschildkröte übersehen hatten. Die Ranger des Mojave-Schutzgebietes würden uns nie gestatten, die Tiere in dieser wichtigen Phase zu stören. Nach dem ersten Schreck darüber, dass unsere Route nicht fahrbar war, machten wir uns daran, eine neue Strecke zu erstellen. Doch in dieser unwirtlichen Region der USA gibt es nur wenige Straßen. Keine davon schien in Frage zu kommen – gesichtslose Schnellstraßen, die Radfahrern keinerlei Anregung bieten.

Wir kontaktierten Freunde, die die Gegend gut kennen. Unter anderem sprachen wir mit dem Gründer des Speed Project, einem Laufwettbewerb zwischen Los Angeles und Las Vegas, der durch eben jene Wüste führt, um etwas über die berüchtigte „Powerline Road“ zu erfahren. Dabei handelt es sich um eine Schotterstraße entlang der Stromtrasse zwischen Las Vegas und Barstow, CA, die sich scheinbar endlos durch das Vorgebirge zieht. „Das geht“, sagten sie. Mehr wollten wir nicht wissen. Eine Offroad-Alternative zur eintönigen Schnellstraße.

Und so legten wir los. Wir hatten unsere Mission. Und die Schildkröten konnten sich in Ruhe paaren. 

Knapp 260 Kilometer über idyllische Asphaltstraßen und abenteuerliche Schotterwege von einem Ende der Wüste zum anderen. Eine Strecke und eine Vision für unsere Fahrer, sich selbst und unser Outfit für heißes Wetter dem ultimativen Test im Grenzbereich zu unterziehen. „It’s never just a ride“ – und das lieben wir daran. 

Finde heraus, wie Andrew und Muzcali mit der Herausforderung zurechtkamen, und schau dir unseren neuesten Film „Cracked“ an, zu sehen ab Dienstag, 25. Juni.